Für einen ist es nur eine gute Freundschaft, für den anderen vielleicht schon ein Grund zur Eifersucht. Gerade, wenn Freundschaften zum anderen (oder gleichen) Geschlecht schon vor der Partnerschaft bestanden, kommt es durch Eifersucht häufig zum Streit. Nicht im Streit, sondern gut gelaunt und offen für die Meinung des anderen sollten wir uns mal darüber unterhalten, was denn eigentlich unsere ganz eigenen Grenzen sind. Gerade wenn ein Paar das Thema Offene Beziehung beleuchtet, aber auch wenn alles so bleiben soll wie es ist, lohnt es sich mal genauer hinzusehen und zu fragen: Wie ist es denn eigentlich?
Wir haben uns auch gefragt, „Wo lagen unsere Grenzen bis jetzt?“ Unterschiedlich. Und erstmal waren wir darüber überrascht, dass es so unterschiedlich ist und wir das nicht so genau voneinander wussten und auch nicht von uns selbst. Für mich war die Grenze die sexuelle Begegnung mit Anderen, also wirklich im Bett zu landen - dachte ich zumindest. Aber so sicher war ich mir auch nicht. Für ihn war Flirten okay, aber Küssen zu viel. Wir überlegten, wie es um innige Umarmungen steht. Der Grad zwischen inniger freundschaftlicher Umarmung und inniger Umarmung mit erotischem Touch ist gar nicht immer so klar. Wo liegt die Grenze und warum eigentlich? Wir stellten fest, dass die Grenze bisher gar keine wirklich klare Grenze ist, sondern eine relativ große Grauzone, eine Art ungewisse Gefahrenzone. Wenn wir in den letzten Jahren Begegnungen in dieser ungewissen Zone hatten, haben wir uns davon erzählt. Und jedes Mal war es ein Schwanken zwischen den beiden Gedanken „Ach komm schon, es war doch nur ein Kuss.“ und „Oh Gott, was habe ich getan?“ Die Grenze, ab der ich mich einschränkte, begann also schon viel früher und irgendwie war es immer eine Last. Das widerspiegelt auch unsere allgemeine Erfahrung, solange etwas ungeklärt ist, ist es eine Last für die Beziehung.
Aus Angst zu weit zu gehen, gehen wir nicht weit genug
Aus Angst „zu weit“ zu gehen, habe ich mich oft schon viel früher zurückgehalten, zum Beispiel beim Flirten. Ich habe es mir teilweise nicht oder nur mit schlechten Gewissen erlaubt. Bei Begegnungen mit Männern schwebte bei mir also immer die Angst mit. Aber warum und wozu das Ganze? Wozu haben wir diese Grauzone? Irgendwie gibt es da ein Gefühl, dass es so „richtig“ ist. Aber wenn wir genauer hinsehen, hat das nichts mit uns zu tun. Es ist der gesellschaftlich anerkannte Rahmen, auf den wir uns mit der Frage „Willst du mit mir gehen?“ vor Ewigkeiten unbewusst geeinigt haben. Je mehr wir darüber sprachen, umso klarer wurde uns, dass wir unseren eigenen Rahmen definieren wollen. Aber wie sieht der aus? Wird unsere Beziehung durch sexuelle Exklusivität gestärkt? Nein. Sehen wir unsere Beziehung in Gefahr, wenn einer Sex außerhalb der Beziehung hat? Eigentlich nicht. Spricht Sex außerhalb der Beziehung gegen unsere Werte? Nein. Wozu dann diese Grenze? Unsere alten Vorurteile über offene Beziehung bröckelten und wir erkannten, dass das vielleicht für uns der richtige Rahmen sein kann.
Solche grundlegenden Entscheidungen anhand der gemeinsamen Werte zu diskutieren hilft und gibt dem Gespräch einen roten Faden, der davon abhält zu schnell in rein emotionale Reaktionen zu verfallen. Sicher hilft euch das Spiel „Kompass durch dick und dünn“ um eure gemeinsamen Werte herauszufinden.
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martin1706 (Dienstag, 25 Februar 2020 10:45)
Ich habe eine Dekade lang in einer harmonischen Partnerschaft ohne Eifersucht gelebt und die vor Allem sehr geprägt war durch tiefstes gegenseitiges Vertrauen. Häufig war meine Partnerin, zumeist mit mir bekannten oder unbekannten Männern Freitag abends ohne mein Beisein unterwegs, da ich aus beruflichen Gründen des Öfteren auch samstags ins Büro musste. Unsere einzige Regel lautete, dass ihre Freitagsaktivitäten nicht dazu führten, dass wir samstags auf der Couch versauerten. Als sich dann die Partnerschaft nach 10 Jahren auseinanderlebte (wir sind heute noch befreundet) brachte ich das selbe Vertrauen in meine nächste Beziehung. Da wurde dies dann nach den anfänglichen Schwärmereien und Aufregung im Schlafzimmer schnell zur Stolperfalle für die Beziehung, da meine Dann-Partnerin mein Sorglosigkeit gerne auch mal anderweitig auskostete. Als dann Alles aufflog und auch diese Beziehung in die Brüche ging, war es um meine Sorglosigkeit geschehen. Mir fiel auf, dass ich bei der kleinsten Kleinigkeit die Flöhe husten höre, wenn meine Partnerin abends mal nicht zurückschreibt oder später nach Hause kommt, als erwartet. Allerdings war ich mir darüber bewusst, dass ich nicht meine negativen Erfahrungen in die neue Beziehung übertragen darf, denn auf lange Sicht wird es dadurch nur zur Entfremdung führen.
Wir sind nun auch schon knapp zwei Jahre zusammen und ich kann behaupten, dass ich für meine Partnerin an aller erster Stelle stehe und danach auch erstmal lange nichts kommt, außer die Familie - allerdings innerhalb der eigenen Verwandtschaft muss man sich in aller Regel ja keine Sorgen machen.
Allerdings hatten wir recht zu Beginn der Beziehung eine große Diskussion zum Thema Grenzen in einer Partnerschaft. Während für uns beide Treue das oberste Gebot darstellt, vertrat ich den Standpunkt, wer glücklich ist, muss sich keine Anerkennung bei anderen holen und Flirten. Für meine Partnerin, ist hingegen nichts gegen ein prickelndes Gespräch in einer Bar oder einem Club einzuwenden, solange eine Grenze nicht überschritten wird. Hierzu zählt bei ihr Küssen und das Tauschen von Kontaktdaten. Anfangs hatte dies bei mir für viel Grübeln gesorgt, denn meine Erinnerungen, an vergangene Erlebnisse kamen alle wieder in mir hoch. Da unser Vertrauen aber immer wieder aufs Neue bekräftigt wird, stört es mich sogar überhaupt nicht mehr. Es geht sogar soweit, dass ich mich, wenn wir in einer Gruppe weggehen ich völlig abschalten und den Abend genießen kann, auch wenn sie das ein oder andere Getränk von einem interessierten Umwerber abstaubt. Diesen räumt sie das Recht auf einen kurzen Flirt ein und freut sich auch über die Anerkennung und den Zuspruch - wenn die Herren, dann aber nach mehr als nach einem kleinen Flirt aus sind, macht sie ihnen kalt, dass daran kein Interesse besteht. Heute würde ich unterschreiben, dass die Kombination aus Bestätigung des entgegengebrachten Vertrauens und dem Ausreizen der auferlegten Grenzen, unsere Beziehung sogar noch stärkt. Denn nichts ist mehr sexy, als Vertrauen und Treue. Und als kleiner positiver Nebeneffekt macht es unseren Sex noch besser und das obwohl mich ihr Geflirtet mehr in Fahrt bringt, als dass es ihre eigene Lust entfacht.
Julia Lüpfert (Freitag, 28 Februar 2020 16:24)
Danke @martin1706 für deine Geschichte!
Toll zu lesen, wie du durch den bewussten Umgang mit deinen Erfahrungen wieder zum Vertrauen finden konntest und deine jetzige Beziehung davon profitiert!